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Eine Frau die weint

Stadtbus in Stuttgart. Fahrt von A nach B, Leute kamen, Leute gingen, ruhig glitt der Bus durch den Verkehr. Der Fahrer fiel mir auf, er war ausgesprochen freundlich, begrüßte alle, begrüßte manche Fahrgäste mit Namen. Seltsam, wie so ein wildfremder Mensch das Leben angenehmer machen kann.

 

Im Bus befanden sich einige Flüchtlinge. Kurz darauf stieg eine weitere Gruppe Asylbewerber zu. Und wieder begrüßte der Fahrer jeden und jede mit einem Lächeln, ja, fragte eine von ihnen, wo ihr Kind geblieben sei, denn beim letzten Mal sei sie doch mit einem Jungen eingestiegen. Das alles auf Schwäbisch-Englisch. Und alles ohne viriles Augenzwinkern, ohne Ironie, nur mit dem Ton von einem, der Anteil nimmt. 

 

Und die Frau lächelte scheu und meinte, dass ihr Sohn beim Arzt sei. Und dankte ihm für die Nachfrage. Dann ging sie nach hinten. Ich blieb in ihrer Nähe, diskret, und sah, wie ihr die Tränen kamen. Verhalten, aber sie kamen. Irgendwann verließ sie den Bus, allein, und ich folgte ihr. Weil ich wissen wollte, warum sie geweint hatte. Nach ein paar Metern sprach ich sie an. Und ohne zu überlegen antwortete sie: "Because of the busdriver." Weil er sie wiedererkannt und nachgefragt habe. Sie sei aus Aleppo über die Balkanroute nach Deutschland gekommen und es tue ihr so gut, wenn ihr jemand ein warmes Wort schenke. Einen ganzen Tag würde es retten. Ach, fügte sie noch lächelnd hinzu, wäre es nicht wunderbar, wenn es mehr von diesen Busfahrer-Menschen gäbe?

 

Diesen tollen und sehr beeindruckenden Text habe ich gelesen in Andreas Altmanns starkem Buch "Gebrauchsanweisung für das Leben" (siehe auch kurze Buchbeschreibung bei meinen Lesetipps).

 

Er passt so wunderbar zu einigen meiner bereits gebloggten Artikel, auch zum letzten vom 02.01.2019, in dem ich daran erinnere, täglich die eigene Einstellung zu überdenken. In allen Lebensbereichen, insbesondere aber auch bei der Arbeit. Wäre der oben beschriebene Busfahrer einfach ein schlecht gelaunter Berufskraftfahrer, wie viele seiner Kollegen, gäbe es diese schöne Geschichte nicht. Und nicht die Frau, die vor Rührung weinte...

 

Versucht es einfach einmal: Als wildfremder Mensch das Leben eines anderen angenehmer machen, indem ihr einfach aufrichtig etwas nettes sagt, der Kassiererin im Supermarkt einen schönen Tag wünscht, jemanden bei Blickkontakt einfach anlächelt, der entgegenkommenden Joggerin ein frohes neues Jahr wünscht, dem Nachbarn von weitem her zuwinkt. Probiert es heute aus und ihr werdet erstaunt seid, wie gut das Euch selbst tut.

 

Ein solches Verhalten macht den Unterschied und bedeutet, Mensch zu sein.