· 

DANKBARKEIT

Ein besonderer Tag neigt sich langsam dem Ende...

 

Nach dreieinhalb Jahren Krebsbehandlung, wirklichen Qualen, Chemotherapien, Am-Boden-Liegen und Wiederaufstehen, vielen Tränen, Ängsten und immer wieder der Aufnahme des Kampfes, versuche ich in dieser Woche ein Buch zu schließen, um es hoffentlich nie wieder aufmachen zu müssen... Ein Buch von vielen, die ein Menschenleben so schreiben kann.

 

Diese Woche fanden und finden nochmals abschließende Untersuchungen statt, die zeigen sollen, ob und wie erfolgreich der Kampf gegen die Krankheit war. Am Freitag schließlich das abschließende Gespräch mit dem Oberarzt - endlich.

 

Ob "mein" Krebs wiederkommen kann? Ja. Ob ich mir deshalb Sorgen mache? Nein. Sorgenvoll in die Zukunft zu blicken, würde für mich keinen Sinn ergeben, nur Kräfte binden, die ich an anderen Stellen viel besser einsetzen kann...

 

Meine "Geschichte" soll aber nicht Gegenstand dieses Blogartikels sein. Vielmehr liegt es mir sehr am Herzen in die Welt herauszuschreien: "SEID DOCH DANKBARER!" 

 

Ich hatte heute zum wiederholten mal (und heute vor und nach meinem Termin bin ich mit offeneren Augen durch die Klinik gelaufen) die Gelegenheit, Menschen, Schicksale, den nahenden Tod und pure Verzweiflung zu sehen. Die "Gelegenheit" fragt sich vielleicht der ein oder andere. "Auf solche Gelegenheiten kann ich gerne verzichten" wird mancher sagen. Ja, ich auch. Diese Themen aber dauerhaft auszugrenzen aus der eigenen Gedankenwelt, macht eben auch keinen Sinn. Für den Moment mag es beruhigen, ja.

 

Zwei Apekte gebe ich jedoch zu bedenken, gegen das permanente Ausblenden vieler unangenehmer Themen wie Krankheit und Tod. Erstens ist es unrealistisch so zu tun (und sich auch entsprechend zu verhalten) als lebten wir ewig. Ich habe es vor dreieinhalb Jahren brutalstmöglich erfahren, wie schnell dieses eine Leben zu Ende gehen kann. Andere erfahren es heute, morgen oder nächste Woche ebenso.

 

Warum sollte das Thema an Dir vorüberziehen? Ich mache keine Angst - ich fordere auf, zu leben!

 

Zweitens und das ist Thema dieses Artikels: Das Sich-Beschäftigen mit den genannten Themen (aber bitte nicht täglich und rund um die Uhr 😉), lässt Dich bewusster leben und dankbar sein. Dankbar für so vieles, was Du bisher einfach so als selbstverständlich wahrgenommen hast, wenn überhaupt.

 

Vielleicht findest Du Gelegenheit, Dir einmal Gedanken zu machen, was Dir bisher im Leben Tolles widerfahren und täglich widerfährt!

 

Ich bin ein dankbarer Mensch. Die Krankheit hat mich in den vergangenen Jahren jedoch gelehrt, noch dankbarer zu sein.

 

Dankbar morgens aufzuwachen und keine Schmerzen zu haben. 

 

Dankbar Menschen um mich zu haben, mit denen ich mein Leben, die Sonnenstunden 🌞 aber auch die dunklen Kapitel im ein oder anderen Buch des Lebens teilen kann.

 

Dankbar mich wieder uneingeschränkt bewegen zu können und meinen Körper positiv wahrnehmen zu können.

 

Dankbar für Menschen, die mich durch das bisher tiefste Tal meines Lebens begleitet haben und immer noch da sind...

 

Dankbar für gesunde Kinder.

 

Dankbar für erstklassige medizische Versorgung in Deutschland und Klinik-Personal, welches immer einen Job am Rande der eigenen Belastbarkeit (auch psychisch - gerade in der Onkologie) gemacht hat, um mir und anderen "irgendwie zu helfen", und sei es nur mit einem aufmunternden Lächeln...

 

Dankbar wieder am normalen Leben, inklusive der Arbeit, teilhaben zu können. Glaub mir, viele wären froh das tun zu können!

 

Dankbar für den wunderbaren Regenbogen, den Wind im Gesicht und die Blume am Wegesrand.

 

Dankbar dafür jeden Tag satt zu werden, lesen zu können, frei wählen zu dürfen, medizinisch bei Bedarf hervorragend versorgt zu sein, nicht im Kriegsgebiet zu leben oder verfolgt zu werden...

 

Siehst Du, WIE VERDAMMT DANKBAR Du sein kannst?

 

Und wie viele Zeitgenossen kennst Du, die ebenso dankbar sein sollten, aber nur jammern? Jammern, weil sie morgens aufstehen müssen um zur Arbeit zu gehen. Jammern, weil die Regierung (bei den Wahlen ist dieser Zeitgenosse aber aus Protest nie!) alles falsch macht. Jammern, weil die Ehe eingefahren und langweilig ist. Jammern, jammern, jammern - wieviel leichter wäre es, wenn mancher aufhören würde zu jammern und die so eingesparte Energie investieren würde in Aufmerksamkeit, Dankbarkeit und in das Ändern von Umständen, die man selbst beeinflussen kann? 

 

Es gibt Dinge, die Du nicht beeinflussen kannst. Sie kommen und Du musst damit umgehen! Andere Dinge kannst Du beeinflussen... 

 

Sei dankbar für die guten Dinge, die da sind - auch und gerade in Deinem Leben! 🙏🏼

 

Danke Leben! 🙏🏼

 

Steffen

15. Januar 2020